Um kaum ein Thema ranken sich so viele Mythen, wie um den Schlaf. Was ist gut für dein Baby, was ist richtig? Und welche Erwartungen sind realistisch? Hier räumt Babyschlafexpertin Anna Recklies mit Ammenmärchen und Mythen zum Thema Babyschlaf auf.
"Und?! Schläft es schon durch?"
Als Babyschlafberaterin stoße ich im Gespräch mit Eltern immer wieder auf Mythen zum Babyschlaf. Das wichtigste Wort scheint dabei „durchschlafen“ zu sein. Trifft man Fremde oder Bekannte, kommt nach sehr kurzer Zeit die Klassiker-Frage: „Und? Schläft es schon durch?“ Tatsächlich kann man diese Frage häufiger bejahen, als man sich das vielleicht so vorstellt. Für uns Erwachsene bedeutet Durchschlafen das Schlafen während der ganzen Nacht. Diese Vorstellung übertragen wir auch auf das Schlafverhalten unserer Kinder. Babys brauchen mehr Schlaf, also stellt man sich vielleicht 10-12 Stunden Nachtschlaf vor.
Die 5-Stunden-Regel
Schlafexperten und Wissenschaftler bewerten das aber anders. Für sie bedeutet „Durchschlafen“ fünf Stunden am Stück zu schlafen. Kurze Wachphasen sind erlaubt, wenn das Kind gleich wieder einschläft. Wenn das Baby also von Mitternacht bis 5 Uhr morgens schläft und eventuell zwischendurch kurz gestillt, sich eurer Gegenwart vergewissert hat oder es zum Beispiel in der NONOMO® nur angeschaukelt werden möchte, schläft euer Baby erfolgreich durch!
Auf die Frage, ob das Kind schon durchschläft, gibt es aber in jedem Fall nur eine Antwort, möchte man sich anstrengende Ratschläge ersparen: „Ja!“
Wichtig für Eltern: Angepasste Schlafzyklen
Schlaferwartungen
Ein weiteres Thema, das mir sehr oft in der Schlafberatung begegnet, ist die Schlaferwartung. Was erwarten wir eigentlich von unserem Baby? Wie, wo und wie lange soll es schlafen?
Bei Umfragen kam heraus, dass gerade die Menschen in der westlichen Welt die Erwartung haben, dass das Kind schon mit wenigen Monaten erstens die ganze Nacht schläft und zweitens auch schon alleine in seinem mit so viel Liebe eingerichtetem Zimmer im neuen Babybett.
Weltweite Unterschiede
Die gängige Erwartungshaltung unterscheidet sich im internationalen Vergleich zum Teil stark, wie folgende Beispiele zeigen: Eltern aus Costa Rica gehen das Thema wesentlich entspannter an. Dort erwartet man, dass Kinder mit ca. 3,5 Jahren durchschlafen. Indische Eltern erwarten das sogar erst, wenn die Kinder knapp 5 Jahre alt sind. Auf die Frage, wann Kinder in der Lage sind alleine zu schlafen, gehen Eltern aus dem Kamerun von ca. 5 Jahren aus. In Costa Rica erwartet man von Kindern mit 6 Jahren die Fähigkeit erworben zu haben, alleine zu schlafen.
Am einfachsten ist es, wenn man sich von seinen Erwartungen verabschiedet und sein Kind in seinen Bedürfnissen begleitet. Es mag Kinder geben, die schon mit ein paar Monaten alleine schlafen können. Vielleicht würden sie auch von einem gemeinsamen Schlafsetting profitieren, aber sie fordern es zumindest nicht ein. Solche Kinder gibt es. Viele Kinder fordern ihr Bedürfnis nach gemeinsamen Schlaf ein und da kann jede Familie ihre eigene Lösung finden, die für alle Beteiligten passend ist. Eine gute Möglichkeit ist z.B. das Baby neben dem Elternbett in einer NONOMO® Federwiege zu betten. Die Schaukelbewegung suggeriert dem Baby getragen und gehalten zu sein, die Wirbelsäule kann sich runden und Mama und Papa sind in greifbarer Nähe.
Das Schlafsetting
Warum ein gemeinsames Schlafsetting für Babys und Kinder so wichtig ist, erklärt ein Blick in die Evolutionsgeschichte.
Für ein Baby war der Nachtschlaf eine sehr gefährliche Zeit. Als der Mensch noch unter freiem Himmel in der Natur lebte, konnte ein langanhaltender, tiefer Schlaf das letzte sein, was ein Baby gemacht hat, ehe es als ‚Praline‘ eines Fressfeindes endete. Für ein Baby war es überlebenswichtig, regelmäßig zu überprüfen, ob es noch in Gesellschaft seiner Beschützer ist. All zu tief und zu lange zu schlafen war lebensgefährlich. Da dieses Verhalten nicht schädlich ist, dauert es noch immer an, obwohl Babys aktuell nicht unbedingt bei Nacht von Fressfeinden bedroht sind. Nach wie vor fühlt es sich für Babys und Kinder am sichersten an, wenn sie in der Nähe ihrer Eltern schlafen. Nur wer sich sicher fühlt, kann gut schlafen.
Wichtig für Eltern: Angepasste Schlafzyklen
Eltern-sein ist wahrlich anstrengend. Wenn ich als dreifache Mutter abends ins Bett gehe, weiß ich was ich gemacht habe. Über Schrittzähler kann ich nur lachen. Ich renne den ganzen Tag hin und her. Umso wichtiger ist es, sich über Nacht erholen zu können, um Kraft für den nächsten Tag zu schöpfen. Da könnte man denken, dass es erholsamer ist, ohne die Kinder zu schlafen, um sich bestmöglich zu erholen. Aber der evolutionäre Überlebensmodus der Kinder macht uns einen Strich durch die Rechnung. Die Winzlinge wachen gefühlt ständig auf und suchen Nähe. Ein gemeinsames Schlafen bietet auch für die Erwachsenen Vorteile.
Gemeinsames Schlafen kann Vorteile bringen
Aufzeichnungen in Schlaflaboren haben ergeben: Die Schlafzyklen von Mutter und Kind gleichen sich an, wenn beide im gleichen Raum schlafen. Kommt das Baby in eine leichtere Schlafphase, weil sich z.B. Hunger breit macht, kommt auch die Mutter in eine leichtere Schlafphase. So erwacht sie beim leisesten Schmatzen und kann Babys Hunger stillen, ohne aus dem Tiefschlaf gerissen zu werden und bevor das Baby vor Hunger weinen muss, um Gehör zu finden. Gestörter Nachtschlaf ist nicht gleich gestörter Nachtschlaf. Wird man aus der Tiefschlafphase gerissen, ist man desorientiert, muss sich erst im Hier und Jetzt zurecht finden, die Situation einordnen und kann dann erst reagieren. Wacht man aus einer leichteren Schlafphase auf, hat man sofort volle Aufmerksamkeit, kann direkt reagieren und auch schneller wieder einschlafen. Manchmal erinnert man sich nicht einmal am nächsten Morgen an solche Unterbrechungen. Voraussetzung für angepasste Schlafzyklen ist das Schlafen im gleichen Raum.
Die Belastung aufteilen, wenn möglich
Kommen schwierige Phasen dazu (z.B. Zahnen, Krankheit, Koliken, etc.) ist es sinnvoll, sich nicht bis zum Anschlag zu überlasten, sondern sich früh um Beistand zu bemühen. Nachts teilen sich die Eltern bestenfalls den Einsatz und für tagsüber kann entweder auch die NONOMO® für ein ruhiges Mittagsschläfchen sorgen oder die Oma/ Schwester/ Freundin können mit dem Baby unterwegs sein, während Mutter und/oder Vater ihr Schlafdefizit etwas ausbügeln. Denn bei Erschöpfung ist das Prinzip der angepassten Schlafzyklen gefährdet.
Gewöhne ich mein Baby an nächtliches Stillen und sollte ich es deshalb besser unterlassen?
Häufig erreicht mich die Frage, ob sich das Kind an das nächtliche Einschlafstillen gewöhnt. Die Antwort ist: Jein
Ein kleines Baby braucht in jedem Fall in den ersten sechs Monaten freien Zugang zu nächtlichen Energiespenden. Meiner Erfahrung nach sogar besser in den ersten 12 Monaten. Das Gehirn wächst in dieser Zeit so viel, es gibt unendlich viel zu verarbeiten – das kostet einfach Energie. Babys wachsen besonders im Schlaf, da ist es kein Wunder, dass nachts für Energienachschub gesorgt werden muss. Dennoch hat die Sache einen Haken. Einschlafstillen kann super leicht und zuverlässig, aber auf Dauer lästig sein und es kann passieren, dass man bei stündlichem bzw. zweistündlichem Stillen ‚landet‘. Das zehrt an den Kräften. Und so häufig muss nicht unbedingt Hunger die Ursache für das Aufwachen sein. Kinder erwachen auch, weil sie ihre Schlafzyklen noch nicht selbstständig miteinander verbinden können und brauchen eine ‚Schlafbrücke‘, um wieder einschlafen zu können.
Schlafbrücken etablieren
Es ist sinnvoll, spätestens nach einigen Monaten eine zusätzliche Schlafbrücke zu etablieren. Sie hilft dem Kind in den Schlaf zu finden. Am Anfang ist es die Brust, die unschlagbare Sicherheit in Form von Nähe und Nahrung gleichzeitig bedeutet. Aber diese Funktion kann auch eine aufgelegte Hand, ein bestimmtes Lied, Kraulen, oder die sanfte Schaukelbewegung der Federwiege etc. übernehmen. Um eine neue Schlafbrücke zu etablieren, praktiziert man die neue und die alte Schlafbrücke mindestens zwei Wochen gleichzeitig (auch tagsüber). Zu einem Teufelskreis kann es kommen, wenn das Kind aufwacht, zum Einschlafen gestillt wird, um dann kurz drauf aufzuwachen, weil die Blase voll ist. Eine alternative Schlafbrücke hilft da gut, muss das nächtliche Stillen aber nicht völlig ersetzen! Beruhigt sich das Baby nicht, hat es wahrscheinlich tatsächlich Hunger und braucht neue Energie zum Wachsen.
Was braucht ein Baby zum Einschlafen?
- Nähe, Körperkontakt und Geborgenheit
- Künstliches Licht, insbesondere Bildschirmlicht in den Abendstunden ist kontraproduktiv
- Ausreichend Nahrung / Sättigungsgefühl
- Extraplus: in Muttermilch ist abends natürlicherweise das Schlafhormon Melatonin enthalten
- stimulierter Vagusnerv, um zur Ruhe zu kommen z.B durch eine Schaukelbewegung in Federwiege oder Trage
- wohlige Temperatur (Schwitzen und Frieren vermeiden)
- ca. 20 Minuten Zeit um vom Augenschließen bis zur ersten Tiefschlafphase zu kommen