Das Motto der diesjährigen Weltstillwoche ist „Eltern stärken für das Stillen“ bzw. „Empower Parents – Enable Breastfeeding“

Letzte Woche war ich mit meinen Kindern im Freibad. Ich saß auf unserer Decke und stillte meinen Kleinsten. Das fast dreijährige Mädchen von der Decke neben uns guckte zu und sagte: „Guck mal, was dein Baby da macht!“ Und ich sagte: „Ja, das trinkt Milch.“ Und die Kleine guckte mich an als würde ich sie veräppeln wollen und rief aus: „Da kommt doch keine Milch raus!!“ Oh, das tut es eben doch und sie wurde nachdenklich und sagte kurz drauf: „Ich war auch mal ein Baby, ob ich da auch Milch getrunken habe?“

Stillen ist Gesellschaftsbildung!

Stillen in der Öffentlichkeit ist für mich Gesellschaftsbildung. Gerade Kindergartenkinder, die keine Geschwister haben sind bei mir im Umfeld regelrecht überrascht, dass Babys an der Brust ernährt werden. Auch für Jugendliche und junge Erwachsene finde ich das Bild der stillenden Mutter in der Öffentlichkeit sehr wichtig, um Normalität zu schaffen. Fürs Stillen muss man sich nicht zurückziehen!

Stillen ist kein No-Go!

Immer wieder lerne ich junge Mütter kennen, denen es unangenehm ist in der Öffentlichkeit zu stillen. Ein großer Aspekt ist sicherlich, dass tatsächlich die Gefahr besteht, dass man dumme Sprüche erntet.

Immer wieder liest man im Social Media Nachrichten darüber, dass stillende Mütter aus dem Bistro, dem Bus oder einem Café gebeten wurden, weil sie ihr Baby oder Kleinkind stillten. Das kann passieren, tatsächlich habe ich persönlich aber nur positives Feedback bekommen und habe auch im Bekanntenkreis niemanden, der negative Erfahrungen gesammelt hat.

Ein starkes Mittel gegen Verunsicherung ist mit Wissen gewappnet zu sein. Hier ein paar Facts zum Stillen, die euch bestärken sollen auch in der Öffentlichkeit unbedarft zu stillen.

  1. Muttermilch passt sich jedem Bedürfnis des Kindes an. Seien es Antikörper, Mineralstoffe, Botenstoffe, etc. Die Muttermilch passt sich jedem Alter an und weiß, ob eine Krankheit im Anflug ist, bevor wir es wissen. Das funktioniert so, dass Rezeptoren rund um die Brustwarze den Speichel des Kindes aufschlüsseln und demnach die Muttermilch zusammenstellen.
  2. Muttermilch ist eine vollwertige Mahlzeit. Entgegen mancher Meinung wird Muttermilch nicht zu Wasser, auch nicht nach sechs Monaten. Manch ein uninformierter Kinderarzt mag das mal aussprechen, wahr ist es nicht. Tatsächlich hat Muttermilch mehr als doppelt so viele Kilokalorien auf 100gr wie 100gr Karottenbrei.
  3. Man kann auch nur mit einer Brust stillen. Die Milchmenge passt sich der Nachfrage an. Sollte es ein Problem mit einer Brust geben, kann die andere Brust die komplette Produktion übernehmen.
  4. Im Sommer muss man nicht Wasser zusätzlich zur Muttermilch geben. Muttermilch reicht bei einem vollgestillten Säugling auch im heißesten Sommer vollkommen aus. Im Gegenteil füllt Wasser dem Baby den Bauch ohne es zu nähren.
  5. Stillen senkt das SIDS-Risiko, schützt vor Übergewicht und Diabetes, schont die kindlichen Nieren und ist nicht kariogen. Galaktose, der enthaltende Milchzucker, ist besonders gut für die Gehirnentwicklung.
  6. Stillen schüttet Hormone aus, die uns Mütter mit weniger Schlaf auskommen lassen und uns entspannen.
  7. Stillen vermindert das Risiko der Mutter an Brust- oder Eierstockkrebs zu erkranken.

Viele Menschen fühlen eine Sehnsucht, wenn sie innige Mutter-Kind-Beziehungen sehen. Manche drücken es aus und sagen etwas wie: „Ohh, der/die hat es aber gut.“ Andere reagieren aber auch mit einer gegenteiligen Reaktion, weil vielleicht ihr eigener Mangel so groß ist und war, dass sie keine andere Reaktion im Repertoire haben. Das ist zu bedauern, da hilft es aber nicht, das eigene Kind nicht oder nur zu Hause zu stillen.

eine Mutter stillt ihr Kind und lächelt dabei eine Mutter stillt ihr Kind und lächelt dabei

Gesetzliche Regelungen zum Stillen in der Öffentlichkeit

In England gibt es ein Gesetz zum Schutz des Stillens, mit dem es ausdrücklich erlaubt und geschützt ist in der Öffentlichkeit zu stillen.

In Deutschland gibt es kein derartiges Gesetz. Allerdings wertet die Antidiskriminierungsstelle des Bundes ein Stillverbot als Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Junge Mütter dürfen wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft nicht diskriminiert werden, auch nicht unter Berufung auf das Hausrecht.

Seit wann Stillen in der Öffentlichkeit weniger akzeptiert ist, ist eine interessante Frage. Fragt doch einmal eure Mütter und Großmütter, wie es zu ihrer Zeit war und was sie zum Thema wissen?

Anna R.
 Trageberaterin, Schlafexptertin, Stillberaterin